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  • AutorenbildHella Schuemann

Reisegeschichten

Aktualisiert: 22. März 2022

Weihnachten 2012 - Plau am See


von Hella Schümann


Zum zweiten Mal hintereinander buchte ich eine Reise über Weihnachten. Das letzte Mal hatte es mir gut gefallen, bis auf den Schluss, als mich im Transferbus ein alter Opa angrabschte. Seit dem Geburtstag von meinem Enkelkind am 1.12.( sie wurde 14Jahre alt) ging es mir schlecht. Ich weiß ja nicht, ob sie meine Post bekommt, da sie nicht mit mir sprechen darf. Ich kann damit nicht umgehen, dass ich immer Weinnachten allein bin. Wenn mich Freunde fragen, was machst du Weihnachten und ich antworte, ich bin allein, dann kontern sie: „Ich auch. “ Ich weiß, dass es nicht stimmt, sie haben Familie, einen Hund oder einen Freund. Ich habe nichts dergleichen. Auch wenn sie nicht die ganzen Weihnachtstage zusammen sind, sie sind nicht allein, jemand von ihren Lieben denkt bestimmt an sie. Bei mir ist es an den 3 Tagen totenstill. Heiligabend kommt nicht mal der Briefträger. Es ruft niemand an, weil sie alle beschäftigt sind, keine Zeit haben, das ist ja auch in Ordnung, doch dann sollen sie mir wenigstens glauben, dass ich ganz allein bin und das ist für mich unerträglich. Natürlich sagen sie auch, dann komm doch zu uns. Sie können auch nicht nachvollziehen, dass es mir nicht gut geht, wenn ich bei einem Ehepaar zu Besuch bin oder in einer Familie, das tut mir weh. Deshalb habe ich also eine Reise gebucht.

Schon am Bus sprach mich Roswitha an, mit ihr und mit Helga und Erika saß ich dann die ganzen Tage am Tisch. Wir verstanden uns gut und hatten viel Spaß. Der 23.12. bescherte uns Glatteis, sodass wir mit dem Bus durch Schwerin fuhren und als wir wegen einer kleinen Pause auf einen Parkplatz mussten, war die Schranke eingefroren. Während die anderen eine Toilette aufsuchten, ging ich fotografieren, denn Schwerin hatte ich bisher nur aus dem Busfenster ablichten können. Es war schon ziemlich dunkel und der Regen machte wenig Pausen. Die Fotos aus dem fahrenden Bus, der über Stock und Stein hoppelte, sind nicht besonders gut geworden.

Heiligabend war der Vormittag zur freien Verfügung. Ich schaute mich daher in Plau um, erstand einen Engel und ein paar Hausschuhe und natürlich fotografierte ich, diesmal im Stehen. Noch immer waren die Wege vereist. Eine ältere Frau, die ich nach dem Weg fragte, hielt mir fast einen Vortrag über denn Ort, sodass ich am 1. Weihnachtstag nicht mit Reiseleitung das Gleiche wiederholen musste, ich blieb im Hotel, setzte mich in den Speisesaal und lud meine Fotos von der Kamera auf meinen Laptop.

Am 2. Weihnachtstag besuchten wir Waren am Müritzsee auch dort gab es einen Reiseleiter. Unsere Gruppe blieb wie festgenagelt auf einem Platz stehen und sie bekamen eine Wortdusche, das heißt, es rieselten Erklärungen ohne Pause. Eine Weile hörte ich gebannt zu, doch dann fiel mir ein, dass ich mir bei der letzten Reise durch das Stehen in Nässe und Kälte, eine Lungenentzündung geholt hatte. Ich entschuldigte mich also und ging dann mit dem Fotoapparat von dannen. Verlaufen konnte man sich nicht in dem kleinen Ort und ich erschien dann auch überpünktlich am Bus. Zwei Frauen fehlten und nachdem der Bus eine Weile gewartet hatte, fuhren wir noch einmal durch den Ort um sie zu suchen. Ein junger Mann bot sich an, die Strecke in entgegengesetzter Richtung zu laufen, aber als er ausstieg, kamen sie ganz gemütlich daher und hatten nicht mal ein Wort der Entschuldigung. Peinlich.


Der 27. war die Seentour, wieder ging alles nur mit dem Bus. Zum Kaffeetrinken besuchten wir eine riesige Scheune, die mit lauter Kitsch voll gestopft war. Der nette Busfahrer sprach mich an und zeigte mir eine Bilderwand mit Landschaftsmalerei von unserem Reiseleiter. Ich fand die Bilder schrecklich, aber das muss man ja nicht verraten. Der Reiseleiter hatte noch eine Überraschung für uns, wir besuchten die Kirche von Basedow, wo die schönste Barockorgel Deutschlands steht. Ja, sie war wunderschön. Zwei von den Basspfeifen haben einen hölzernen Löwenkopf und wenn sie gespielt werden, bewegen sich die Augen und Zunge. Zu unserer Überraschung kam auch der Organist (ein alter Mann am Stock) und erklärte uns die Orgel. Ich fragte ihn, ob er mich mit nach oben nähme, ich wollte von dort singen. Er sah mich ganz seltsam an. „Wie singen“, wollte er wissen. „Solo zu einem Weihnachtslied“. Er verstand nichts. „ Dann singen sie doch von unten.“ bemerkte er, ich darf keinen mit hochnehmen. Ich glaube, er dachte auch, die Orgel ist sehr laut, das schafft sie nie, denn als er „oh du fröhliche“ am Schluss spielte, hörte ich, wie er ein paar Register herein schob und die wirklich sehr laute Orgel wurde etwas leiser. Ich schmetterte das Lied und ich fühlte mich sehr wohl dabei. Das ganze Jahr hatte ich so gut wie überhaupt nicht gesungen, manchmal bleiben mir einfach die Töne im Hals stecken und diesmal hatte es mit dem Selbstmord von einem jüngeren Kollegen zu tun, der mich immer gerne Weihnachten im Rathaus singen hörte.

So, nun sang ich also in der Kirche und sah, wie die Leute mir gegenüber nicht mitsangen. Als wir aus der Kirche gingen hörte ich jemanden von denen fragen, die hinter mir gesessen hatten: „Wer hatte denn da die schöne Stimme.“

Das war wohl das Schönste an der Reise.

Die Weihnachtsfeier am Heiligabend war übrigens die schönste in meinem ganzen

Leben, so wie ich es mir immer vorgestellt hatte: Mit Musik und Weihnachtslieder singen, lecker Kaffee und Kuchen, lustige Geschichten, sogar in Platt (ich konnte es gut verstehen) und eine kleine Überraschung für jeden. Vor uns stand ein Whiskyglas mit Keksen und gebrannten Mandeln und die Kekse hatte die Hotelchefin selbst gebacken, mit viel Liebe. Alle Leute waren so warmherzig und nett.

So geht Weihnachten.




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